Schaumschlägerinnen fliegen auf.

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Dr. Nadine Stutz, Raiffeisen Schweiz

Von Dr. Nadine Stutz, digitale strategische Vorhaben & Projekte Kommunikation, Raiffeisen Schweiz, will ich wissen, wie eine aussagekräftige und eigenständige Persönlichkeits-Positionierung gelingt.

 
 

Nadine, vermarktest Du Dich?

Ich bevorzuge den Begriff "positionieren" anstelle von "vermarkten". Ich bin offline und online präsent - auf unterschiedlichen Plattformen und in diversen Kanälen. Das ist Teil von meinem Job. Und es ist ein Teil von mir. Und: Ja - ich arbeite laufend an meiner Positionierung. Ich bevorzuge den Begriff "positionieren" anstelle von "vermarkten".

Warum ist das wichtig?

Menschen waren schon immer eine eigene Marke, ein eigener Brand. Vertrauen und Glaubwürdigkeit haben auch in Pre-Social-Media-Zeiten das Geschäft bestimmt. Die Selbstvermarktung hat somit eine sehr lange Tradition. Niemand möchte schlecht dastehen.

Personal Positioning ist demnach mehr als nur Selbstvermarktung für Egozentriker, denn es ist kein neues Phänomen?

Ja. In Zeiten von Social Media hat sich die Reichweite von Selbstdarstellungsplattformen verändert und die Eintritts-Schwelle liegt tiefer. Jeder kann sich darstellen. Umso wichtiger sind Authentizität und Transparenz.

Was macht für Dich die Qualität einer aktiven und glaubhaften Persönlichkeits-Positionierung auf den verschiedenen Kanälen aus?

Zwei Adjektive: aktiv und authentisch. Den Mut haben, sich zu sein, mit seinen Kompetenzen, seinen Möglichkeiten, aber auch seinen Grenzen. Deshalb bevorzuge ich den Begriff positionieren anstelle von vermarkten.

Ist das nicht etwas "schönfärberisch"? Die Vermarktung der eigenen Person steht doch im Zentrum.

Klar, am Ende stehen Aufträge, Business, Revenue. Aber früher oder später merkt die Netz-Gemeinschaft, ob bspw. Ghost-Writer am Werk waren. Menschen merken, wenn das “Analoge Ich” nicht mit dem “Digitalen Ich” übereinstimmt.

Eine Verschmelzung von Analog und Digital also?

Ja. Natürlich! Wenn mein Erstkontakt mit einem Menschen digital stattfindet, möchte ich den Menschen auch analog wiedererkennen und vice versa.

Wieviel Selbstdarstellung ist erlaubt?

Genau so viel wie es braucht, um glaubwürdig zu sein und zu bleiben. Selbstdarstellung als Eigenzweck funktioniert nur kurzfristig. Netzwerkaufbau und eine Positionierung in den eigenen Kompetenzthemen brauchen Zeit und sind mittel- bis langfristig angelegt. Eine reine „Marktschreier“-Strategie funktioniert nicht. Eigene Errungenschaften sind wichtig, aber insbesondere dann glaubwürdig wenn sie in ein Netzwerk und Kontext eingebettet werden.

Magst Du Beispiele von Dont’s nennen, über die Du immer wieder stolperst?

Immer wieder beobachte ich, wie Inhalte von anderen geteilt werden, ohne diese zu kontextualisieren, also ohne die geteilten Inhalte in die eigene Meinung einzubetten. Dadurch weiss die Leserin nicht, wie die Senderin zum geteilten Inhalt steht. Resultat? Es entsteht keine Diskussion und die Positionierung bleibt aus.

Ein weiteres Don’t ist die Verwendung von Business Netzwerken als reines schwarzes digitales Adressbüchlein. Also jene Personen, die ohne Zielsetzung ohne Strategie jede Anfrage einfach annehmen und Adressen „sammeln.“

 
Ein konsistenter Auftritt über alle Plattformen, ob analog oder digital, ist relevant und schafft Vertrauen.
— Dr. Nadine Stutz, Raiffeisen
 
 

Was hältst Du von Hinweisen auf Twitter wie «Ideas & Words are my own.» - Sind die Grenzen von Privat & Geschäft nicht sowieso fliessend?

Das sind sie natürlich immer mehr. Dennoch macht es einen Unterschied, ob man im Namen des Unternehmens oder als Individuum, als Privatperson, antwortet. Nicht immer müssen die Meinungen in den beiden Rollen übereinstimmen. Ebenso klar ist es, dass die Meinungen nicht diametral auseinanderlaufen sollten.

Welche Chancen verpasse ich als Mitarbeiterin, wenn ich nicht auf eine ansprechende digitale Präsenz achte?

Das ist stark abhängig von Job, Branche und der Person. Je näher jemand thematisch an der "Digitalisierung" ist, und je stärker man auch für Aussenauftritte verantwortlich ist, umso eher sollte man auf den online Plattformen unterwegs sein. Aber auch hier gilt: nicht alle sollen, wollen oder müssen sich positionieren.

Eines scheint mir aber wichtig: Ein korrektes und plattformgerechtes Profil ist auch ein MUSS wenn man lediglich mitliest und eher passiv auf den Plattformen unterwegs ist.

 
Innovation Challenge - RAI Lab 2017 Quelle: www.alea-iacta.ch

Innovation Challenge - RAI Lab 2017
Quelle: www.alea-iacta.ch

Kann ja auch sein, dass ich nicht als «Schaumschlägerin» wahrgenommen werden will, und ich die Zeit lieber in Inhalte und meine Projekte stecke? Wie finde ich hier die Balance?

Wenn der Verdacht nach Schaumschlägerei aufkommt, läuft etwas schief. Es spricht nichts dagegen, die Zeit in Inhalte und Projekte zu stecken, aber je nach Inhalt und Projekt sind gerade Social Media Plattformen eine wichtige Quelle, um an Informationen zu kommen, sich auszutauschen, Neues zu entdecken, Eigenes zu hinterfragen.

 

An welche persönlichen Richtlinien hältst Du Dich?

Ich habe über die diversen Plattformen hinweg eine Strategie resp. meine eigenen Guidelines, was ich wo und wie veröffentliche. So kommen Twitter und LinkedIn für die berufliche Positionierung und meine Kompetenzthemen zum Einsatz, Facebook und Instagram für die privaten Aspekte und Leidenschaften aus meinem Leben.

Wichtig für mich: Über alle Kanäle hinweg - analog und digital - halte ich mich an meine normalen Lebensrichtlinien. Es sind dies Anstand, Respekt, sich-nicht-zu-ernst-nehmen und Wissen teilen.

Wann soll Frau es mit der (Digitalen) Persönlichkeitsvermarktung lieber bleiben lassen?

Wenn es als zusätzliche Belastung als MUSS angesehen wird. Sich zu positionieren ist eine immerwährende Arbeit und kann nicht nach einigen Tagen oder Wochen als abgeschlossen angesehen werden. Man muss also Lust und Leidenschaft haben, konstant an sich und seiner Positionierung zu arbeiten, Fehler zu machen und Neues auszuprobieren. Und die Fähigkeit, sich nicht allzu ernst zu nehmen ist zentral. Wer nicht ab und an über sich lachen kann und wer Meinungen anderer nicht auch mal stehen lassen kann, der wird es schwierig haben.

 

© - Autorin: www.isabelle-sailer.ch